Wenn der Vorgang nicht kontrolliert abläuft, findet
eine regelrechte Explosion eines Gasgemisches mit Wasser an der Seeoberfläche
statt. Genau dies geschieht, wenn eine Flasche Champagner oder Limonade entkorkt
wird: Durch den Druckabfall im Flascheninneren bilden sich spontan Gasblasen,
steigen an die Oberfläche und reißen dabei Flüssigkeit mit. Das
ist es auch, was, etwas vereinfacht, die Katastrophe am Nyos-See (Kamerun) in
der Nacht des 21. August 1986 bewirkte. Die Sättigungsgrenze des Seewassers
wurde überschritten, der Ausgasungsprozess wurde ausgelöst und breitete
sich über den gesamten See in Form einer Kettenreaktion aus. Eine Wassersäule
von mehr als 80 m Höhe wurde durch den Gasausbruch in die Luft geschleudert.
Enorme Mengen von Kohlendioxid, schwerer als Luft, ergossen sich in die angrenzenden
Täler und erstickten alles Leben bis in eine Entfernung 30 km um den See. Jahre
nach diesem Desaster schlug unsere Firma eine Installation vor, um den Nyos-See
von seinem tödlichen Gas zu befreien. Hierbei wird in kontrollierter Weise
der Vorgang der Ausgasung reproduzeirt und dabei Kohlendioxid in unerheblichen
Mengen in die Atmosphäre geleitet. Um die Ausgasung zu bewerkstelligen,
schlugen wir eine Einrichtung vor, die wir Auto-Siphon (Saugheber) nennen. Sie
besteht aus einem Polyäthylen-Rohr, das senkrecht in den See getaucht wird.
Eine Pumpe saugt Wasser im Rohrinneren nach oben, der Druck fällt ab und
das Wasser erreicht seine Sättigungsgrenze. Die sich dabei bildenden Gasblasen
steigen durch nätürlichen Auftrieb auf, neue Gasblasen wachsen nach
und reißen Wasser mit sich. Ist der Prozess im Gange, wird die Pumpe überflüssig
und kann abgeschaltet werden. Eine Wassersäule ergießt sich aus der
Rohrmündung und entlässt ungefährliche Mengen Kohlendioxid in die
Atmosphäre. Beide Seen in Kamerun, Nyos und Monoun, sind inzwischen mit solchen
Entgasungsvorrichtungen ausgestattet. Die Wassersäule des Nyos erreicht eine
Höhe von 50 m, die des Monoun von ungefähr 10 m. Seitens der
Regierung wurde unserer Firma das gesamte Programm der Ausgasung für Nyos
und Monoun (NMDP: Nyos and Monoun Degassing Program) anvertraut und es wird bis
heute erfolgreich durchgeführt. Der Nyos-See soll in drei Jahren gasfrei
sein. Im Nyos-See arbeitet zur Zeit nur ein Saugrohr. Die kamerunesische Regierung
hat bei der Europäischen Union fünf weitere Auto-Siphons beantragt.
Kommen sie zum Einsatz, sollte der See innerhalb von fünf Jahren entschärft
sein. Das Ausgasungsprogramm, das über einen Zeitraum von 10 Jahren
angelegt ist, hat uns die Ausarbeitung von Technologien und von rechnergestützen
Berechnungsmethoden auf bisher unerforschtem Gebiet gestattet. Diese wissenschaftlichen
Kenntnisse, Informatik-Kompetenzen und technologischen Werkzeuge möchten
wir in das Kivusee-Projekt zur Methangewinnung einbringen.
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A.
Der etwa 8m hohe kontinuierliche Jet, der aus der 65m langen in der Mitte des
Monoun senkrecht verankerten Röhre herausschießt, April 1992 (Foto:
J. Grangeon). B. Die 21 m hohe "Soda"-Fontäne am Nyos-See,
März 1995: Ein Experiment, das den Erwartungen sehr nahe kommt (Foto: B.
Canet). C. Der 50 m hohe Jet vom Nyos-See in voller Stärke im Februar
2001 (Foto: M. Halbwachs). Wegen seiner geringen Dichte von etwa 0,1 ist das Entgasungs-Fluid
trotz seiner großen (> 100 km/h) Austrittsgeschwindigkeit harmlos und
leise. D. Der 8 m hohe Jet vom Monoun-See im Februar 2003 (Foto: S. Chikhi).
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